Wenn das Leben am seidenen Faden hängt
Welche Szenarien die Osterholzer Kreisfeuerwehrbereitschaft bei einer Großübung durchspielt
TEXT: Lars Fischer (Osterholzer Kreisblatt)

Landkreis Osterholz. Über 120 Einsatzkräfte der Feuerwehren aus dem gesamten Landkreis Osterholz haben bei einer gemeinsamen Großübung die Zusammenarbeit in unterschiedlichen Einsatzsituationen geprobt. Auf dem weitläufigen Gelände der Fassmer Werft in Lemwerder gab es ausreichend Platz und Möglichkeiten, sich einer Reihe von anspruchsvollen Szenarien zu stellen. Dabei bekamen die Wehren Verstärkung von der DLRG und dem Technischen Hilfswerk (THW).
Zuvor waren die rund 25 Einsatzfahrzeuge in einem gemeinsamen Konvoi von der Feuerwehrtechnischen Zentrale in Pennigbüttel ins Übungsgebiet aufgebrochen. Jörg Laude, stellvertretender Kreisbrandmeister, hatte die verschiedenen Szenarien für die in vier Fachzüge aufgeteilten Einsatzkräfte ausgearbeitet. „Die geübten Einsätze können uns so auch jederzeit im Alltag begegnen“, so Laude. „Auch wenn einige davon sicherlich außergewöhnlich waren, wie beispielsweise Unfälle mit Booten.“
Wasserrettung und Kellerbrand
So sah sich der „Technische Zug“ am Ochtumer Hafen mit einem komplexen „Verladeunfall“ konfrontiert. Ein Boot hing schief an einem Mobilkran, der selbst zu kippen drohte. In dem Boot befanden sich Verletzte, eine unbekannte Anzahl an Personen war zudem ins Hafenbecken gestürzt. Während mittels eines Krans Boote von Feuerwehr und DLRG zu Wasser gelassen wurden, sicherten weitere Kräfte den havarierten Mobilkran und leiteten die Menschenrettung aus dem in der Luft hängenden Boot ein.

Währenddessen arbeitete der „Wassertransportzug“ einen ausgiebigen Kellerbrand in den weitläufigen Kellerräumen unter der Werft ab. Eine unbekannte Anzahl von vermissten Personen sowie eine sehr unübersichtliche Gesamtlage machten den Einsatz kräfteintensiv und herausfordernd. Der Übungsplan sah insgesamt neun umfangreiche Szenarien vor, was für alle eingesetzten Kräfte eine Herausforderung war, aber auch die Gelegenheit bot, das eigene Können zu testen und neue Wege auszuprobieren.
Aus dem Einsatzleitwagen 2 heraus koordinierte Andreas Berger gemeinsam mit seinem Stellvertreter Timo Kück die Übungseinsätze. Für Berger war es seine „Feuertaufe“ in neuer Funktion – erst im Juli war er als Kreisbereitschaftsführer berufen worden. „Ich möchte die Kreisfeuerwehrbereitschaft nicht nur organisatorisch weiterentwickeln, sondern auch den Zusammenhalt stärken. Mein Ziel ist es, dass wir als Einheit jederzeit handlungsfähig sind – fachlich stark, menschlich eng verbunden und stolz darauf, Teil dieser Gemeinschaft zu sein“, so skizziert der 42-jährige Neuenkirchener sein Ziel für die neue Aufgabe.
Auch der Osterholzer Landrat Bernd Lütjen besuchte die Übung. Begleitet von einer Reihe weiterer Gäste ließ er sich von Kreisbrandmeister Jan Hinken die Szenarien erläutern und die Technik vorstellen. Insgesamt gab es viel Lob für die Großübung, auch von den Teilnehmern, wie etwa Gesa Brons aus Ritterhude. Sich gemeinsam schnell Lösungsmöglichkeiten zu überlegen und diese anschließend nachzubesprechen, reizte die 19-jährige Feuerwehrfrau besonders. „Der Austausch untereinander und auch mal die Ausrüstung anderer Feuerwehren, mit denen man sonst nicht so viel zusammenarbeitet, real ausprobieren zu können, ist ein großer Vorteil dieser Übung“, so Brons. So arbeiteten allein in ihrem Fachzug Feuerwehrleute aus Ritterhude, Osterholz-Scharmbeck, Hüttenbusch und Ihlpohl im Team.
Nach Übungsende bestand die Gelegenheit, die Übungsdetails miteinander zu besprechen. „Es wurde zum Beispiel absolut unterschätzt, wie groß Industrie-Kelleranlagen sein können. Dies konnten sich die Einsatzkräfte am Abend noch einmal in Ruhe anschauen und viele Erkenntnisse mitnehmen“, so Jörg Laude. Die meisten Einsatzkräfte nutzten dann auch die Gelegenheit zum übergemeindlichen Austausch und blieben bis zur Rückfahrt am nächsten Morgen vor Ort.
Kreisfeuerwehrbereitschaft
Die Kreisfeuerwehrbereitschaft (KFB) ist eine speziell organisierte Einheit der Feuerwehr eines Landkreises, die für überörtliche Einsätze und Großschadenslagen vorgesehen ist. Ihre Bildung ist im Niedersächsischen Brandschutzgesetz vorgeschrieben und besteht aus verschiedenen Fahrzeugen diverser Ortswehren, die in mehrere Fachzüge gegliedert werden. Die KFB kann landesweit oder überregional zum Einsatz kommen und ist in der Regel so ausgestattet, dass sie bis zu 72 Stunden autark arbeiten kann, inklusive eigener Versorgung und Logistik. Ziel ist es, schlagkräftige und flexible Einheiten bereitzuhalten, ohne die Einsatzbereitschaft im eigenen Landkreis zu gefährden. Damit stellt die Kreisfeuerwehrbereitschaft ein Element des Katastrophenschutzes und der überörtlichen Hilfe in Niedersachsen dar und ergänzt die regulären Orts- und Gemeindefeuerwehren. Die KFB des Landkreises Osterholz wurde beispielsweise bei den Elbehochwassern 2002, 2006 und 2013 eingesetzt und bildete eine Einsatzreserve beim Moorbrand im Emsland 2019.























